Wunder muss man selber machen
Liebe Leserinnen und Leser!
Ich weiß nicht mehr, wie genau ich auf manomama gestoßen bin, das herzerfrischende Antiunternehmen, in dem so vieles anders gemacht wird, als es die meisten ach so schlauen (Top-)Manager und Wirtschaftsweisen fordern. Egal, meine Intuition hat mich mal wieder finden lassen, ohne gesucht zu haben. Diesmal ist das Fundstück ein Prachtstück an Fallbeispiel: Es ist die Geschichte eines glücklichen Wandels von der Werbefrau hin zur waschechten Unternehmerin, die viel mehr als Social Business betreibt; es ist die Geschichte, wie Frau(en) ein Unternehmen in einer längst totgeglaubten Branche in Deutschland neu erfinden; es ist die Geschichte, wie Sinnkopplung, Sicherheit und Wertschätzung enorme Kräfte freisetzen. Kurz: Ganz und gar lesenswerte Geschichten in einer Geschichte. Für alle, die die Schnauze voll haben, von all den „Geht nicht“ Ausreden.
Sina Trinkwalder beginnt diese Geschichte auf der Rückfahrt von einem Kunden, früher, als sie noch als Werberin mit ihrer eigenen Agentur unterwegs war. Es gleicht einem Erleuchtungserlebnis: Ein Obdachloser fischt ein Frauenmagazin aus dem Mülleimer, das sie soeben dorthinein entsorgt hatte. Ein paar Augenblicke später bemerkt er von einem anderen Bahnsteig aus Trinkwalders beobachtende Blicke, schaut sie an und hält das Magazin stolz wie eine Trophäe hoch. Irgendetwas, tief aus dem Unbewussten, lässt Trinkwalder „Hallo“ rufen, „zunächst leise, dann etwas lauter“. Sie bietet ihm über die gleisliche Distanz weitere Magazine an. Der Mann kommt rüber, Trinkwalder verpasst ihren Zug und erfährt, dass der Mann aus den Covern der Magazine in der Weihnachtszeit Schmuck für seine Frau und sich bastelt. Diese Begegnung führte kurzerhand zu der „Erkenntnis und Antwort, wonach ich lange gesucht habe, aber mich niemals getraut hatte, danach zu fragen: dem Sinn meiner Arbeit.“ (S. 23)
Als dann am selben Abend auch noch ihr Sohn das restliche Wurstbrot einfach im Mülleimer entsorgte fiel ihre Entscheidung: Sie musste lernen umzudenken und wollte einen Beitrag dazu leisten, dass in unserer Welt nicht nur „Geld und Gier“ zählen. Aber wie? Was tun? Trinkwalder stellte fest, dass normalerweise am Beginn eine Produktidee steht. Sie begann jedoch, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wie könnte Sie den erwünschten Beitrag leisten. Nach einer gewissen Zeit des Suchens, Nachdenkens und Sinnierens wurde klar: Sie wollte das „Hochleistungsrosinenpicken“ beenden, wollte beim Menschen beginnen und zwar bei denen, die sonst keine Chance mehr bekommen, selbst wenn sie wollen. Die Grundlage für manomama war geschaffen: Der Mensch ist die Idee, der Mensch ist das Zentrum.
Dann spielte, so wie zu Beginn der Geschichte, wieder der Zufall eine Rolle: Trinkwalder lebte und arbeitete von Augsburg aus – einer früheren Hochburg in der längst zugrunde gegangenen deutschen Textilbranche. Und so traf sie auf einem Spielplatz eine ehemalige Näherin, die wie so viele andere ihre Arbeit verloren hatte, weil die ständig perverse Preisdückerei, Effizienzorgien und Gewinnmaximierungsschlachten die Branche in den fernen Osten getrieben hatte. Und so entstand sie, die Idee: Eine Näherei in Augsburg, um den Menschen wie der Dame auf dem Spielplatz wieder Arbeit zu geben.
Ein schöner Bericht vom Bayerischen Rundfunk
Die folgenden Wochen und Monate waren eine Tour de Force in Sachen Lernen: Trinkwalder hatte natürlich keinerlei Ahnung von Nähen und Textilien. Aber das machte rein gar nichts, denn sie war und ist mit einem gesunden Selbstwertgefühl ausgestattet, mit dem man Berge versetzen kann – und sogar eine Näherei in Deutschland gründen kann. Ergo kaufte sie erst mal die beste Nähmaschine im letzten verbliebenen Nähereiladen und beauftragte den Inhaber, Ihr die Kunst des Nähens nahe zu bringen. Und natürlich förderte sie noch die Buchbranche, indem sie sich mit gefühlten Tonnen an Fachliteratur eindeckte, die sie flugs durcharbeitete. Im weiteren Verlauf wurde dann aber schnell klar, dass es eben etwas anderes ist, eine Produktionsstätte zu gründen, als Wissensarbeit zu betreiben: Es braucht einen Maschinenpark, geeignete Räumlichkeiten, Rohmaterial und natürlich die entsprechenden Menschen, die das Handwerk beherrschen oder zumindest erlernen wollen. Aber Trinkwalder wäre nicht Trinkwalder, hätte sie dieses Problem nicht gelöst.
Wer bis zu diesem Punkt des Buches schon Schwierigkeiten hat, mit dem Tempo und der Arbeitsenergie klar zu kommen, der muss sich jetzt erst recht anschnallen. Denn das war nur das müde Vorgeplänkel für den ersten industriellen Großauftrag, der unverhofft über manomama hereinbrach: der dm Drogeriemarkt orderte eine Million Einkaufstauschen. Trinkwalder fiel vom Glauben ab, war eine Weile ins Stocken geraten. Zumal auch die Umrechnung auf die Arbeitstage immer noch eine erschreckende Größenordnung bedeutete: 4808 Taschen. Am Tag. Sie entschied sich, den Auftrag anzunehmen. Und das führte Sie und „ihre Ladies“ durch einen wahren Wirbelsturm des Unternehmertums, der den Leser für rund die Hälfte des Buches den Atem verschlägt. Mehr will ich hier nicht verraten – außer, dass sie es am Ende geschafft haben, ohne Wirtschaftshilfe und Banken. Unter beinahe unglaublichen Bedingungen und Rückschlägen.
Neben all den Geschichten in der Geschichte bietet Trinkwalder noch weiterführende Gedanken und Reflexionen dazu, was unsere Wirtschaft so unmenschlich macht und wie wir sie umgestalten können. So, dass der Mensch im Zentrum steht, wie bei manomama. Eben eine Wirtschaft, die uns Menschen dient, und nicht uns Menschen ausbeutet. Dort findet sich vieles, was andere AutorInnen in anderen Büchern in Details ausführen (→Wieviel ist genug, →Gleichheit ist Glück, →Faktor Mensch, →Postwachstumsgesellschaft, →Haben oder Sein – und viele andere…).
Fazit: Unbedingt empfehlenswert für alle, die unsere Wirtschaft ändern wollen; für alle, die Inspiration suchen, wie wir es anders machen können.
Herzliche Grüße
Andreas Zeuch
Trinkwalder, S. (2013): Wunder muss man selber machen. Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle. Droemer. Gebunden, 288 Seiten. 16,99 €
Danke für den Blog-Beitrag!
Siehe dazu gerne auch meinen Artikel „Das Grüne Büro – Nachhaltiger Kulturwandel im Büro“ http://www.foerderland.de/news/fachbeitraege/beitrag/das-buero-ist-mehr-als-tisch-und-stuhl/unternehmensfuehrung/
Mehr Infos zu „Nachhaltigkeit ist sexy! findet ihr auf http://www.das-curriculum.de
Möbelhafte, nachhaltige und sexy Grüße
Christine Müller