Wetten statt Planen

Es ist mittlerweile das dritte Buch meines Kollegen Gebhard Borck. Auf „Affenmärchen. Arbeit frei von Lack und Leder„, dem Debut mit einem Managementsachbuch folgte der erste Ratgeber „Dein Preis“ über wertbasierte Verpreisung als Alternative zur herkömmlichen Herangehensweise von Tagessätzen. Aktuell folgte nun sein drittes Buch, angesiedelt irgendwo zwischen Sachbuch und Ratgeber. Es ist eine logisch anmutende Konsequenz aus Affenmärchen, denn schon dort schrieb Gebhard: “Gibt man uns Menschen einen Plan und koppelt daran unsere Existenz und unser Einkommen, dann nutzen wir unsere Intelligenz, sobald wir den Plan akzeptiert haben, um die Vorgaben zu erreichen.” (Borck 2011, S. 82) Das heißt allerdings keineswegs, dass es besonders klug, effektiv oder effizient wäre, auf die traditionelle Weise zu planen. Wohl eher das Gegenteil. Eine interessante Option zum Planungsdesaster liegt vielleicht in einem fundamentalen Wandel hin zu vernünftigem Wetten. Wer jetzt innerlich zusammenzuckt oder den Kopf schüttelt, sollte gerade weiterlesen. Lernen und Fortschritt rühren nicht daher, sich in einer mentalen Komfortzone einzurichten…

Das Buch ist gewissermaßen das Transkript einer Veranstaltung der Beratungsfirma new&able. Im Rahmen des Eventformats „thinktalk“ ging es im Juli 2015 um das Thema des Buches: Dagmar Woyde-Koehler, Gründerin und Geschäftsführerin von new&able, diskutiert zunächst mit Gebhard über Wetten statt Planen. Am Anfang steht die Abgrenzung vom Zocken, dem Einsatz von Geld auf Pferde, Fussballmannschaften, Lottoscheine oder was auch immer. Diese vielleicht erste Assoziation steht einem vernünftigen Gebrauch des Begriffs im Arbeitsleben entgegen, lenkt ab von den kreativen Möglichkeiten, die in einer frischen Verwendung des Wortes liegen. Gebhard klärt jedoch zügig, dass er durch Nicolas Talebs „Der schwarze Schwan“ auf die Idee kam, sich zu fragen, wie man auf sich selbst wetten könnte. Denn dafür gibt es einen guten Grund: Dabei hat man deutlich mehr Kontrolle, als auf andere(s) zu wetten. Wie also könnte man und frau auf sich selbst wetten? Wie dabei die Chancen verbessern? Das war der Ausgangspunkt zur Veranstaltung und damit zum Buch.

Dagmar und Gebhard beim thinktalk 2015

Dagmar und Gebhard beim thinktalk 2015

Dagmar und Gebhard verfolgen während ihrer Reflexion zwei Wege: Erstens arbeiten die beiden die Nachteile üblicher Planungsprozesse heraus und erläutern zweitens die Vorteile von Wetten statt Planen. Schließlich haben beide Vorgehensweisen nicht unerhebliche Konsequenzen: Wer plant, legt etwas fest, konstruiert ein Wunschbild der Zukunft, dass leider eine nicht selten undurchsichtige Folie über die Wirklichkeit legt. Das hat zur Folge, Änderungen, die mit der Planung nicht mehr übereinstimmen, nicht mehr wahrzunehmen oder nicht wahrhaben zu wollen. Die Wirklichkeit wird durch das Prokrustesbett der Planung in die richtige Länge gedehnt oder kurzerhand amputiert, nur damit Wunsch und Wirklichkeit zueinander passen. Der Prozess der Planung korrumpiert unseren Umgang mit der Wirklichkeit. Natürlich muss das nicht so sein, davon ist nicht die Rede, allerdings gibt es einen gewissen Sog in diese Richtung. Umgekehrt hat es eine direkte, klare Auswirkung, wenn wir auf etwas wetten: Wir wissen, dass wir alles verlieren können. Eine Wette, und das gefällt mir besonders gut, impliziert grundsätzlich das Risiko, dass mit Annahmen über die Zukunft unausweichlich verbunden ist. Wer wettet wird schlechterdings auf die Idee kommen, es sei nur eine Frage der Professionalität, ob er die Wette am Ende gewinnt. Solange nicht mit gezinkten Karten gespielt wird, gibt es keine absolute Sicherheit.

Dabei ist der Prozess des Planens an sich gar nicht so sehr das Problem, wie Gebhard meint. Denn Planen ist eine bestimmte, gut strukturierte Art, über die Zukunft nachzudenken. Das Problem beginnt vielmehr dann, wenn der Plan fertig ist: „Plan rein, Denken raus.“ Wenn es am Ende der Planungsphase nur noch darum geht, den Plan auszuführen, wird das (selbst-)kritische Denken dadurch verdrängt. Und mehr noch: Nicht nur das Denken, sondern eben auch, wie oben schon geschrieben, die Wahrnehmung. Ein zentrales Problem in der Steuerung von Unternehmen ist dann noch die Verknüpfung von Zielen und Gehältern. Ein Ziel muss erreicht werden, um die variablen Gehaltsanteile einzustreichen, die bekanntermaßen nach wenigen Jahren als normaler Gehaltsbestandteil erlebt werden. Damit sind wir im Reich des PlanSOLLS: Die MitarbeiterInnen oder Führungskräfte müssen den Plan umsetzen, um Ihren Anspruch auf das volle Gehalt zu realisieren. Da wird man und frau natürlich kreativ. Somit ist es wichtig, Ziele zu erarbeiten, die dieses Problem nicht erzeugen. Und das geht wiederum mit relativen, dynamischen oder – wie Niels Pfläging es formulierte – flexiblen Zielen.

Das Buch ist zwar auch ein Ratgeber, kommt aber glücklicherweise an keiner Stelle mit einer „One-Size-Fits-All-Checkliste“, um für alle Zeiten Planung erfolgreich durch Wetten zu ersetzen. Nein, da war beim thinktalk etwas im Entstehen, und das haben Dagmar und Gebhard auch im Buch so beibehalten. Es gibt nicht für jeden bisherigen Planungskontext eine Anleitung, wie denn nun statt dessen zu wetten sei. Aber natürlich finden sich diverse Praxisbeispiele, die durchaus zum Weiterdenken anregen können: Crowdfunding ist ein gutes Beispiel, wie jedenfalls zum Teil auch ohne Businesspläne Investitionen erzielt werden können. Als Wetten der Crowd auf den Erfolg des avisierten Produkts. Geplant ist da von Seiten der Kleininvestoren wohl nicht allzuviel. Und natürlich kann jeder sofort selber weiterdenken: Wie wäre es, wenn man das Prinzip ins Unternehmen reinholt: Die Belegschaft könnte auf interne Innovationen wetten und diejenigen finanzieren, an deren Erfolg sie am ehesten glaubt. Diese Denkfigur liegt auch den äußerst erfolgreichen Entscheidungs- oder Vorhersagemärkten zugrunde, die häufig bessere Prognosen liefern, als beispielsweise klassische Wahlprognosen.

Somit wäre der Austausch von Planung durch intelligentes Wetten auch ein Schritt in Richtung Unternehmensdemokratie. So bemerkt beispielsweise ein Teilnehmer der Veranstaltung im Zusammenhang mit Crowdfunding: „Man kann ja auch sagen, man probiert mal mit einem Projekt diesen basisdemokratischen Ansatz und guckt, wie das angenommen wird. Einfach, um sich das Feedback zu holen aus der Mitarbeiterschaft. Vielleicht sogar vom Kunden.“ (S. 50). Etwas später meldet sich ein anderer Teilnehmer zu Wort, als es um die Frage geht, was denn die Strategieabteilung aus Wetten statt Planen lernen könnte: „Jede Strategieabteilung eines Unternehmens, ob jetzt groß oder klein, sollte wetten statt planen. Damit sind sie auf dem besten Weg, wenn sie zusätzlich in die Wetten eine starke Unternehmensdemokratisierung einbeziehen.“ (S. 76)

Ich habe nur zwei Dinge, die mich gestört haben. Das ist erstens die häufig nur geringfügig überarbeitete wörtliche Rede aus der Veranstaltung. Ja, einerseits kommt so ein bisschen die Atmosphäre rüber, andererseits sind einige Sätze doch recht verschwurbelt, wie das eben so ist, wenn man redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Das macht beim Zuhören nichts, ist  beim Lesen aber alles andere als prickelnd. Und zweitens hätte ein kleines Literaturverzeichnis nicht schaden können. Muss ja nicht den Umfang einer Dissertation haben. Aber nichts? Das ist einfach schade, denn wer hier weiterdenken will, darf jetzt eigenständig ohne Hinweise recherchieren. Ein guter Service für die LeserInnen sieht anders aus.

Fazit: Insgesamt ein schön gemachtes Buch für alle, die sich professionell mit Plänen auseinandersetzen müssen. Es regt zum Denken an, wie wir Planung erfolgreich durch andere Vorgehensweisen ersetzen können. Zumindest da, wo es komplex ist und die üblichen Planungsprocedere meistens versagen.

 

Herzliche Grüße

Andreas Zeuch

 

Woyde-Koehler, D., Borck, G. (2016): wetten statt planen. new&able thinktalk mit Dagmar Woyde-Koehler & Gebhard Borck. Edition sinnvoll · wirtschaften. Paperback, 113 Seiten. € 14,- (Website zum Buch)

Borck, G. (2011): Affenmärchen. Arbeit frei von Lack und Leder. Edition sinnvoll · wirtschaften. Paperback, 192 Seiten. € 29,90

 

Bildnachweis

  • Beitragsbild: Buchcover
  • Dagmar und Gebhard:
1 Antwort
  1. Heiko
    Heiko sagte:

    Lieber Andreas, lieber Gebhard

    Wie sagte schon Eisenhower so treffend: „Pläne sind nichts. Planung ist alles.“

    Worüber ich beim Lesen stolpere: der Zusammenhang von Wetten und Wahrscheinlichkeiten mit Ungewissheit bzw. Schwarzen Schwänen nach Taleb.

    Ungewissheit drückt aus, dass man die möglichen Ereignisse nicht einmal vorausahnen kann, geschweige denn deren Wahrscheinlichkeiten. Wie kann ich dann noch klug wetten? Vielleicht allein auf Basis des Bauchgefühls bzw. der eigenen Intuition?

    Oder man bedient sich in solchen Situationen der Effectuation-Prinzipien: Nutze Zufälle und gestalte die Zukunft aktiv mit. Denn was ich selbst gestalten kann, muss ich nicht prognostizieren 😉

    Aber wie beschrieben: Es gibt natürlich nicht nur Ungewissheit, unter Unsicherheit/ Risiko sind Wetten anstelle von Investitionsplänen sicher eine gute Idee.

    Und es gibt auch Überschneidungen: Das Effectuation-Prinzip des Leistbaren Verlustes entspricht dem Wetteinsatz.

    Spannendes Thema, da könnte es sich lohnen, tiefer einzusteigen, als es hier möglich ist.

    Cheers/ Heiko

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert