Rework

Liebe Leserinnen und Leser!

Interessant, wie sich die Sicht auf Dinge verändern. Und damit natürlich auch auf Bücher. Ich hatte Rework schon vor ungefähr einem Jahr das erste Mal gelesen. Damals hatte es mich nicht überzeugt, obwohl es ein New York Times Bestseller war. Nun habe ich es einer Intuition folgend wieder in die Hand genommen – und siehe da: Es erscheint mir lohnenswert. Es ist ein wunderbar leicht zu lesendes Buch, dass trotz der Kürze der Kapitel Erkenntnisse, Tipps und Tricks vermittelt, die äußerst hilfreich sind. Sofern man (s)ein Unternehmen anders gestalten und führen will, als gemeinhin üblich.

Die beiden Autoren wissen, worüber sie schreiben: Fried gründete 1999 die Softwareschmiede „37 Signals“ und stellte 4 Jahre später Hansson ein, der bis heute mit dabei ist. Im Laufe der Jahre entwickelten sie verschiedene webbasierte Softwareprodukte im Bereich Kollaboration und begannen Ihre Erfahrungen und Gedanken in ihrem Blog „Signal vs. Noise“ seit 1999 zu publizieren. Das Blog erreichte 2007 rund 90.000 Leser pro Tag.

Das Buch besteht im Kern aus den 10 Kapiteln Hindernisse, Los geht’s, Fortschritt, Produktivität, Konkurrenz, Entwicklung, Werbung, Mitarbeiter einstellen, Schadensbegrenzung und Unternehmenskultur. Dort finden sich jeweils ein bis dreiseitige Abschnitte, in denen Fried und Hansson äußerst pointiert zahlreiche Fragen und Herausforderungen abhandeln, die sich jedem Unternehmensgründer stellen. Zwischen den einzelnen Abschnitte gibt es noch meist recht amüsante, teils witzige Illustrationen, die das Lesen noch vergnüglicher machen.

Direkt zu Beginn bin ich auch beim zweiten Lesen über eine äußerst fragwürdige und vor allem auch widersprüchliche Stellungnahme zu Fehlern und Misserfolgen gestolpert. Die Lernerfolge aus Fehlern und Misserfolgen wären überbewertet. Schließlich können man nur lernen, was man nicht machen solle, aber dann wüsste man immer noch nicht, was man denn tun solle. Mit einem einfachen Beispiel lässt sich dies schon mal widerlegen: Wenn ich in einer Situation bewusst meine Intuition ignoriert habe und damit auf die Schnauze geflogen bin, empfiehlt es sich beim nächsten Mal, meine Intuition näher in Betracht zu ziehen. Genau das habe ich oft genug von Kunden gehört. Und: „Wenn man Erfolg hat, weiß man, was funktioniert – und kann den Erfolg wiederholen.“ (S. 24). Trugschluss. Genauer: Bullshit. Denn dann kann man problemlos in die Erfolgsfalle tappen, individuell und noch katastrophaler gleich mit dem gesamten Unternehmen. Das habe ich meiner 3. Kolumne bei CFO World näher ausgeführt (natürlich mit Fallbeispielen). Der Grund dafür ist einfach: Was früher Erfolg beschert hat, muss morgen längst nicht mehr zu denselben positiven Ergebnissen führen, weil sich das Umfeld geändert hat. So sind schon ganze Branchen untergegangen, weil sie Ihren Erfolgen von gestern blind vertraut haben. Fertig, so einfach ist das mit der Erfolgsfalle.

Abgesehen von diesem Unfug bieten die restlichen Kapitel und ihre Abschnitte haufenweise gute Ideen, Tipps, Ratschläge und so weiter, häufig mit eigenen Erlebnissen oder anderen Fallbeispielen illustriert. Da kann man meist nur abnicken und sich fragen, warum das nicht viel mehr Unternehmen und Gründer beherzigen. Da wäre zum Beispiel die zwar bekannte, aber doch wichtige Tatsache, dass jegliche Fremdfinanzierung nur Plan Z sein kann. Denn die hat ein Bündel unangenehmer Nebeneffekte zur Folge:

  • Kontrollverlust
  • Auszahlungen werden wichtiger als die Entwicklung des Unternehmens
  • Geld anderer Leute ausgeben macht süchtig
  • Kunden stehen an zweiter Stelle, Anleger an erster – und last not least:
  • Es lenkt ab, Geld aufzutreiben
Herrlich ist die einfache Feststellung, „dass kleine Unternehmen davon träumen, größer zu sein, große Unternehmen dagegen wünschen, sie wären agiler und flexibler.“ (S. 31). Damit ist die Gier nach Wachstum schnell hinterfragt. Anders formuliert: „Was ist falsch daran, die richtige Größe für sich zu finden und dabei zu bleiben?“ Genau. Wenn doch nur mehr Geschäftsführer so denken und fühlen würden. Wir würden in einer nachhaltigeren Welt leben.
 
Desweiteren wird das Minimal funktionierende Produkt (MFP) wie in Eric Ries „Lean Startup“ auch hier gefordert. Und zwar auf eine konkrete Art: Fried und Hansson schlagen vor, das Epizentrum eines neuen Produktes zu identifizieren. Denn zu Beginn gibt es eine kaum zu überblickende Menge an Aufgaben, was getan werden kann, was man tun will und was man tun muss. Das Epizentrum besteht aus Letzterem. Und wie findet man das heraus? Eine einfache Frage hilft: „Wenn ich das wegnähme, würde es das, was ich verkaufe, noch geben?“. Ebenso nützlich ist ein paar Seiten weiter eine andere Frage: „Was würden Sie weglassen, wenn Sie Ihr Unternehmen innerhalb von zwei Wochen an den Start bringen müssten?“

Fazit: Noch ein Buch, dass jeder Unternehmensgründer lesen sollte. Es spart einem eine Menge überflüssig verschwendeter Zeit und Energie und führt zu belastbareren Ergebnissen.

Herzliche Grüße
Andreas Zeuch

Fried, J. und Hansson, D. (2010): Rework. Business intelligent und einfach. Riemann. Gebunden, 286 Seiten.

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