Lass die Mitarbeiter surfen gehen.
Liebe Leserin, lieber Leser!
patagonia ist ein großartiges Fallbeispiel für gesund, ja sogar „sinnvoll · wirtschaften“. Dass dieses Unternehmen etwas sehr Besonderes ist, wird schon in dem Moment klar, in dem der Gründer und Inhaber, Yvon Chouinard gleich zu Beginn seines Buches deutlich macht, dass er eigentlich nie Unternehmer werden wollte; dass er nicht einmal Respekt für diese Spezies Mensch hatte, sondern vielmehr reichlich viel Übel mit ihnen verbindet (ging mir auch mal so). Das sind natürlich sehr gute Vorbedingungen, um sich nicht an die üblichen unternehmerischen Glaubenssätze zu halten, sondern stattdessen Neues auszuprobieren. Und daran hält sich Chouinard bis heute. Er sieht sogar… aber nein, das verrate ich erst am Ende dieser Buchbesprechung.
Im Grunde besteht das Buch aus zwei großen Teilen: Der Geschichte patagonias, der Chouinard immerhin satte 92 Seiten einräumt, und der Darstellung und Erläuterung der Kernphilosophien in den Bereichen Produktentwicklung, Produktion, Distribution, Image, Finanzen, Mitarbeiter, Management und Umwelt. Die Kernphilosophien sind dann mit ihren 206 Seiten auch der Kern des Buchs. Einer der es in sich hat.
Nicht umsonst nimmt sich Chouinard die Zeit und den Raum, die Entstehung und Hintergründe seines Vorzeigeunternehmens ausführlich zu präsentieren. Es ist die innere Verbindung seiner Liebe zur Natur, zum Draußensein, zum Klettern und Surfen mit seinem Unternehmen, die es zu dem macht, was es heute ist und morgen noch werden wird. Den LeserInnen wird klar, dass ein Hochleistungsunternehmen, in dem erfolgreiche Arbeit vor allem Spaß macht, nur dann funktionieren kann, wenn die gesamte Belegschaft sowohl mit der eigenen Aufgabe als auch mit den eigenen Produkten sinngekoppelt ist.
Chouinard hat ein weitreichendes Verständnis von „Nachhaltigkeit“, dem Fast-Unwort des Jahrzehnts. Er versteht Nachhaltigkeit immer ökologisch und sozial. Und zwar im Innen- wie im Außenverhältnis seines Unternehmens. Daraus folgt Verschiedenes:
- Produkte werden zunehmend nachhaltig produziert, in dem beispielsweise fast nur noch Bio-Baumwolle verwendet wird und Hardshell-Jacken aus recycelten PET Flaschen hergestellt werden.
- Logistikketten werden kritisch unter der Maßgabe möglichst geringer Emissionen reflektiert und neu aufgestellt. Ziel ist eine möglichst lokale Produktion.
- Cradle-to-cradle: Produkte werden am Ende Ihres Lebenszyklus zurückgenommen und wiederverwertet.
- Mitarbeiter werden als Ganzes wahrgenommen und respektiert. Sie dürfen Ihre Zeit selber einteilen und sind eingeladen, selbstständig kritisch zu denken und auch bei wichtigen Entscheidungen demokratisch mitzugestalten. Es gibt eine Frauenquote von rund 50%, eine umfassende interne Kinderbetreuung und eine Cafeteria mit hochwertigem Essen.
Danke für die Buchrezension, Andreas. Ich sehe schon noch einen Sinn in einem CEO. Für mich übernimmt das Management Aufgaben, um die ich mich nicht kümmern möchte. Ich sehe also solche Einteilungen und Jobbezeichnungen nicht grundsätzlich als Hierarchien, sondern als sinnvolle Aufgabenverteilung oder Arbeitsteilung gemäss Eignung – im Idealfall. Ist schon klar, dass das in den meisten Firmen anders läuft.
Übrigens, du kannst ja mit Chouinard mal darüber reden, vielleicht hat er ja Lust auf dein Experiment.
Das Interview im Video ist auch super. „The more you know the less you need.“ Der Mann gefällt mir.
Hi Luka
danke für Deine Anmerkung! Na ja, das sehe ich mittlerweile genauso wie Du. Allerdings sollte der CEO idealerweise in einem demokratischen Prozess gewählt, anstatt per autokratischem Top-Management Entscheid eingesetzt werden. Ist übrigens keine wirre Phantasie: Die Haufe-Umantis AG macht das bereits!
Liebe Grüße
Andreas