Erfolg ohne Chef

Liebe Leserin, lieber Leser!

Er ist einer, der sich was traut. Einer der Mut hat. Und kein Blatt vor den Mund nimmt. Gernot Pflüger, Inhaber und Geschäftsführer der CPP Studios Event GmbH, hat 2009 mit einer frisch-frechen Schreibe die Erfolgsgeschichte seines Unternehmens veröffentlicht. Seit dem gibt es neben den üblichen Verdächtigen Fallbeispielen radikaler Managementinnovationen wie Semco, Svenska Handelsbanken oder dm Drogeriemarkt endlich eine weitere, sogar deutsche Fallgeschichte.

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Gernot Pflüger beginnt seinen Bericht über sein Unternehmen, wie er zum Inhaber und Geschäftsführer wurde. Am Anfang standen nämlich seine leidlichen, „hässlichen“ Erfahrungen als Angestellter, der wohl eher ein Abgestellter war, aufgrund des Verbots, eigenständig zu denken und zu handeln. Wortneuschöpfungen wie „Kassenbrillen-kreative“, „Minderwertigkeitskompensationsgeschosse“ oder „Äußerlichkeitendiktatur“ und ebenso wunderbar formulierte Sätze belegen nicht nur die hohe sprachliche Kreativität des Autors, sondern machen im weiteren Verlauf des Buchs ganz einfach Spaß beim Lesen.

Die zwei wichtigsten Faktoren für die Produktivität und Atmosphäre in den CPP Studios bestehen in einem Einheitsgehalt und dem Verzicht auf eine „statische und institutionelle Hierarchie“ (S.195). Der Spaß hört bekanntlich beim Gehalt auf – da gibt es zahllose pseudointelligente und gar – wissenschaftliche Gehaltssysteme, tarifliche und außertarifliche Gehälter, Hay Grades und so weiter und so fort. Am Ende des Tages bleibt trotzdem immer wieder viel Unzufriedenheit und das Gefühl, nicht gerecht bezahlt zu werden. Pflüger ist einer der ganz Wenigen, die klar stellen, dass Leistungsmessung eben ein Problem ist, dass niemals sauber gelöst werden kann. Obendrein führt das zunehmende Schielen auf fixe und variable Gehaltsanteile zu einer Entfremdung von der eigentlichen Arbeit.

Genauso konsequent geht Pflüger bei der Gestaltung der formalen Hierarchie vor: Es gibt nur noch zwei Stufen, die aber im Grunde letztlich doch nur eine Stufe sind: Die Geschäftsführung und alle anderen Mitarbeiter. Es gibt drei Arten von Entscheidungen: Einfache, recht banale Fragen, die keinen großen Einfluss aufs Geschäft haben, solche, „die geeignet sind, (das) gesamte Arbeitsumfeld nachhaltig zu verändern“ (S. 200) und letztlich die existenziellen Entscheidungen. Die Abstufung der gemeinsamen, demokratischen Entscheidungen laufen von einfacher Mehrheit über eine überwiegende Mehrheit bis hin zu einer Quasi-Einstimmigkeit. Spannend ist, dass erstens bislang selbst existenzielle Entscheidungen zügig getroffen wurden und damit die Schreckensphantasie der Entscheidungslähmung widerlegt ist. Zweitens berichtet Pflüger von einem Fall, in dem er persönlich durch die Entscheidung der Mehrheit äußerst betroffen war, weil er selbst anders entschieden hätte – aber er hat die gemeinsame EntscheidungsKultur akzeptiert. Auch wenn es ihm sehr schwer fiel. Was natürlich die Voraussetzung für das Funktionieren dieser Kultur ist.

Über diese beiden Faktoren hinaus, gibt es natürlich noch eine Menge anderer Aspekte, die die CPP Studios zu einem tollen Unternehmen machen: Völlige Kassentransparenz, Anfängergeist (ein Praktikant darf Bestehendes hinterfragen), Fehlerfreundlichkeit, freie Arbeitszeitregelung und Anwesenheitspflicht und die Erlaubnis, während der Arbeitszeit auch seinen Privatangelegenheiten nachzugehen!

Fazit: Eine tolle Fallstudie aus erster Hand ohne Umwege, direkt vom verantwortlichen Unternehmer. Und das auch noch gut geschrieben. Meine wärmste Empfehlung für alle Inhaber, Geschäftsführer und Vorstände mittelständischer Unternehmen, die wissen wollen, wie eine demokratische Unternehmensgestaltung wirtschaftlichen Erfolg möglich macht.

Herzliche Grüße
Andreas Zeuch

Pflüger, Gernot (2009): Erfolg ohne Chef. Wie Arbeit aussieht, die sich Mitarbeiter wünschen. Econ. 272 Seiten, Paperback. 16,90 €

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